Kostproben aus der Vergangenheit


Sehnsucht

Begann nicht alles schon
bevor wir Worte kannten?
Das Fühlen und der Ton
und alles, was wir fanden?

Was aus dem Alles kam
das wir nie wirklich dachten
wenn es uns mit sich nahm
und wir im Staunen lachten?

Als wir im Weltbegreifen
noch selbst begriffen waren
und uns das Erdenreifen
im Himmelskeim gebaren?

Bis wir uns selbst begriffen
im Meer der andern Wesen
und zwischen harten Riffen -
im tiefen Lebenslesen …

Und darin neu verloren
im blinden Sinnes-Sinnen
nun gänzlich erdgeboren
im dunklen Außen-Innen ...

Nur ahnend noch verbunden
mit innig wärmend weisen
Geistsonnenheimatrunden
in tiefen Sehnsuchtskreisen ...

Bis wir im Sehnen sahen
was uns erneut verbindet
im Fernen wie im Nahen -
als DU uns wieder findet …

 

Illusion

Gedankenraumenge
gefühlsbestimmt -
die wie Greifvogelfänge
mich mit sich nimmt.

Sehnsuchtsgeborene
Ungelebte -
Tagtraumverlorene
die ich webte.

Duwärts gesponnenes
Wesensweben -
am Ziel zerronnenes
wahres Leben ...

 

An Hegel

 

Freiheit soll die Einsicht sein

in die Notwendigkeit?

Dann kann ich ein Seher sein,

dem warm wird, wenn es schneit.

 

Denn wenn den Zwang zu sehen

allein genügt dazu

kann ich im Knasthof gehen

und frei sein wie ne Kuh.

 

Deshalb sind Freiheitsblinde

fürwahr noch besser dran

weil hinter einer Binde

man immer frei sein kann.

 

Virus

 

Es wurde in die Welt getan,

was Geist und Seelen scheidet

und treibt die Welt in einen Wahn,

der Mut zur Wahrheit meidet.

 

Es ist etwas, was niemand sah,

mit eignen Menschenaugen

und doch als Wahnwitz uns geschah,

um uns hinwegzusaugen

 

Aus unserm ICH, das selbstgewahr

und frei davon stets wandelt,

weil trugbildfern und geistesklar

es aus sich selber handelt.

 

Ankunft

 

Solange wir Gedanken denken,

werden wir uns nicht sehn.

Wenn wir uns spielend verschenken,

wird, was uns blind macht, verwehn.

 

Es gibt Leises zwischen den Worten,

dort, wo WIR-Welten sind,

an tiefen magischen Orten,

wo unser Sinn wohnt - im Kind.

 

Das Kind ist die plötzliche Stille,

in die wir versinken,

endloser Zärtlichkeitswille,

ineinander ertrinken.

 

Verstummen im Sosein des Andern,

ein ungeküsster Kuss,

lauschendes Achtsamkeitswandern,

Berührung ohne ein Muss.

 

Scheu vor allem Habenwollen,

was uns wieder zerbricht,

Sehnsucht nach dem liebevollen,

unendlich wärmenden Licht.

 

Was wir uns sind, ist Bedeutung,

hinter den Kulissen,

ungezählte Wesenshäutung,

unverlierbares Wissen.

 

Einmal für immer geborgen

im haltlosen Fassen,

Ankunft im ewigen Morgen,

Ankunft im liebenden Lassen.

 

Selbstgeburt

 

Hautraumjetztgebunden

in uns selbst gefangen

sind wir Sehnsuchtswunden -

pures Du-Verlangen

 

In uns selbst verlorne

leere Schattenwelten,

gleichsam Ungeborne,

die dem andern gelten.

 

Nur in Zwischenräumen

werden wir geboren,

in Begegnungsträumen -

geht der Tod verloren …

 

Näherung

 

Mondgleich steigen

schweigend -

Wandelreigen.

 

Dich erleben

schwebend -

Mich verweben.

 

Sich berauschen

lauschend -

Wesen tauschen.

 

Uns umwinden

findend -

Wärme binden.

 

Höre

 

Die Häuser

Sicher stehen sie im Gewesenen

Sicher sind sie im Verfall.

 

Das Fahrende

Sicher gleitet es im Scheinbaren

Sicher im Vergessenen.

 

Die Arbeit

Sicher gedeiht sie im Fraglosen

Sicher im Immerzu.

 

Das Handeln

Sicher kreist es im Selbstzweck

Sicher in blinder Irre.

 

Doch dazwischen -

Das Weinen ...

Das Lächeln ...

 

Bekenntnistanz

 

Dieses Gedicht für dich

ist wie ein alter Tanz,

in dem auch Du für mich

vergibst dich ganz.

 

Es ist ein leiser Klang

auf das, was aus dir spricht,

vieltausend Jahre lang -

aus deinem Licht.

 

Als ich dich sah im Traum,

warst Du mir längst vertraut

aus meinem Innenraum,

auf meiner Haut.

 

Jetzt bin ich plötzlich scheu,

weil ich so offenbar

mich deiner so sehr freu',

so schutzlos wahr.

 

Nichts

 

Wohin ich begehre

ist, was es nie gab

nur sinnvolle Leere:

ein Wünschmirwasgrab

 

Nur Deine Bewegung

selbstkreisgeboren

Wir-lose Regung

wunschtraumverloren

 

Verfangene Lieder

Echo im Spiegel

Selbstspiegelglieder

trennende Siegel

 

Vergebene Gaben

die mir nicht galten

vergebliches Haben

haltloses Halten

 

Traumzauberferne

Nichts, was uns bindet

zwei suchende Sterne

wo sich Nichts findet.

 

Nachklang

 

Kann und will nichts mehr verstehn

nicht zweifeln mehr und sinken

will nur noch lassen dich und gehn

um aus mir selbst zu trinken.

 

Doch was ich trinke, schmeckt wie Du

und plötzlich find ich dich im lassen

und trink dir noch im Gehen zu

um liebend dich zu fassen.

 

Ich lasse dich und fasse dich

wo ich dich einst gefunden

dort, wo Du frei bist und an mich

für allezeit gebunden.

 

Und kehrst Du einst aus dir zurück

von deiner langen Reise

bin ich auch dieses ganze Stück

mit dir gegangen leise.

Sommerregen

 

Später schwerer Sommerregen

tropf uns warm und frei

nackt in nasses Gras zu legen

Hautlusturgeschrei

 

Ganz verschmelzen sinnentrunken

ohne Zwischenraum

zwischen Blumen, Kräutern, Unken

unter einem Baum

 

Leidenschaftlich geil uns raufen

voller Sinnesglut

in purer Liebeslust ersaufen

weil es gut uns tut.

 

Wunsch-Schmerz

 

Du wächst in deinem Glück

noch mehr in dich hinein

gebierst dich Stück für Stück

im Neugeborgensein

 

und wächst mir dabei zu

an meinen Schicksalskern

den namenlosen Ort des DU

und bist mir doch so fern.

 

So schmerzhaft fern und nah

ist nur, was einzigartig tut ...

Worauf das Wunschherz sah

tut manchmal schmerzhaft gut.

 

Plagegeister

 

Es mehren sich die Plagegeister,
mit ihren Worten mich zu füllen,
so dass mein eigner Wortemeister
sie müsste alle niederbrüllen.

Doch dazu fehlen ihm die Kräfte,
wenn er so stille in sich brütet,
weil alle seine Geistessäfte
er mit dem ganzen Selbst behütet.

 

Heilendes Paradoxon

 

Das, was Du dir an Seinsschätzen

von einem andern Menschen nehmen lässt,

ist gerade das, was er von dir braucht.

Also behalte es, damit Du es ihm

immer wieder geben kannst.  ∞

 

Nichtssagend wahr

 

Der Worte sind so viele,

doch wo ist denn ihr Sinn,

wenn ich mit ihnen spiele

und nicht darinnen bin?

 

Der Sinn liegt halt im Schwatzen,

im Mitgefühl der Schar,

schön munter wie die Spatzen:

nichtssagend, aber wahr ...

 

Tatstille

 

In aller Tat die Stille finden,

ist besser als sich grübelnd winden,

denn Grübeln macht dich ruhelos,

fängt es im Kopf sich selber bloß.

 

Anders ist es mit dem Denken

in Fuß und Hand und Brust:

dort wird dich das Leben lenken,

wohin Du wirklich musst.

 

Solange Zeit ist

 

Fremdvertraute Duheit

schweigende Erzählerin

vor meinem liebenden Auge

stumme Sängerin

an meinem wachen Ohr -

sprich weiter

und singe

solange Zeit ist

damit ich dich sagen kann.

 

Singe weiter mir

das Lied deiner wissenden Füße

gegen den schmiegsamen Sand

in den Raum

deinen heilenden Gliedergesang -

singe weiter

späte Sonnentochter

deine farbige Abkunft vom Licht

im Wiederschein des Meeresspiegels

in deiner glitzernden Toga aus Tropfen und Salz.

 

Auch das Lied deiner Würde erreicht mich

stolze Hüterin der Herzensmitte

leicht und frei wie dein Haupt

und das Lied des Geschlechts

Priesterin des Lebensstromes

hör' ich in ungetrübten Krümmungen

vor der regellosen Starre amorphen Gesteins -

und zuletzt den Gesang der Wärme

aus deinem klugen Antlitz.

 

Singe weiter, oh singe

solange Zeit ist

damit ich dich sagen kann ...

 

Fluss in uns und wir in ihm ...

 

Wer nur den Friedhofsfrieden liebt, wird stumm.

Wer immer nur im Krieg versinkt, wird dumm.

Wer manchmal schnell zu tanzen wagt, wird frei,

wer immer nur in sich verbleibt, ein Ei.

 

Vergiss dich ganz und werde still,

weil alles Leben selbst sein will ...

Geh' fort von dir und komme an,

sei Frau in dir und sei auch Mann.

 

Sei jetzthaft und sei ganz verliebt,

in alles, was nicht ganz vertriebt.

Wir sind nicht triebhaft, sondern Fluss,

in dem sich alles finden muss ...

 

Normliebe (ein Liedchen)

 

Es war einmal ein Mädchen,

das hieß mit Namen Narziss,

drehte immer ein Rädchen,

träumend und selbstseinsgewiss.

 

Das Mädchen gab es in Mengen

und auch in männlicher Form,

in allen nur denkbaren Engen:

Es war das Mädchen der Norm.

 

Manche gaben sich träumend

und über die Maßen zart,

andere wieder schäumend

und maßlos liebevoll hart.

 

Manche waren wie Blüten,

erwartend den Blick nur für sie,

andere waren wie Tüten:

luftvoll platzend, laut wie das Nie.

 

Alle glaubten an Liebe

und brauchten die andern dazu,

weil sonst alles nur triebe

im Freisein und faden Wozu.

 

Wenn man sie sah, wie sie waren,

wurden sie puderhochrot

und glichen Blütenheerscharen

und sahen den Seher zu tot.

 

Ihr Liebesideal war ein „Wehe,

wenn Du nicht siehst, was ich will,

dann zeige ich dir meine Zehe,

kalt wie die Schulter - hassliebestill.

 

Liebe ist, wenn ich dir zeige,

dass ich an dich gedacht,

weil, wenn ich darüber schweige

lieb’ ich dich ohne Macht.

 

Lass’ mich dich zwingend erfreuen,

machtlose Liebe ist mir zu rein,

würde mein Ego zerstreuen,

mein machtgeiles Selbstgewisssein.

 

Ich kann nur lieben im Machten,

im selbstverzehrenden Fassen,

sonst müsste ich andere ja achten

und einfach nur selber sein lassen."

 

WahnFried

(an die Kriegstreiber)

 

Frühlingsfriedenswahnsinn bricht

Sich mit Frühlingsmacht ans Licht

Ganz vernunftgemäß, wie alle Kriege

Ringt hier Frieden sich zum Siege.

 

Hier ein Bömbchen, dort ein Schuss

Welch ein Frühlingsfriedensgruß

An die vielen Bösen, Guten

Welch ein Frühlingsfriedensbluten

 

Wenn die Frühlingsfriedensschlacht

Wie der Blüten Knospe kracht

Gleich der Sonn’ vom Himmel senget

Und die Herzen weit sich sprenget.

 

Indessen steigt in unsern Fritzen

Auch die Frühlingsfieberhitzen

Ringt empor sich und nach Worten

Von den Friedens-Krieges-Sorten

 

Humanitären, hehren Pflichten

Selbsternannten Weltgerichten

Und fürsorglicher Kriegskultur

Bloß für die eignen Menschen nur.

 

Die andern Menschen sind nur Leute

Zufällig hier im falschen Heute

Nur eine andre Form von Stahl

Nicht fähig echter tiefer Qual

 

(Und sollte doch ein Falscher fühlen

Unter all den Bösen, Kühlen

- es wäre schreckensschauerlich -

So schützt das Wort „bedauerlich.”)

 

Sie sind das Spielzeug eines Einen

Wie manche wähnen oder meinen

Das man recht schnell zertrümmern muss

Will man den Frieden ganz zum Schluss.

 

Das Menschsein andrer anzunehmen

Das wär’ ein Unrecht und zum Schämen

Denn Recht ist nur das eigne Recht

Wer anders fühlt, der fühlt halt schlecht

 

So jedenfalls verkündet Raspelholz

Recht infantilpathetisch stolz

Und schließlich sind wir, wenn auch scheinhaft

Ja eine Werte(Müll?)gemeinschaft!

 

„Walle walle manche Strecke, dass zum Zwecke ...”

Helfe eine weiche dunkle Nebeldecke

Vor den Geistern, die wir riefen doch

Als wir friedlich schliefen noch.

 

Eine Decke für die vielen neuen Leiden

Eine Decke, um den Blick dahin zu meiden

Eine Decke, unter der wir uns verkriechen

Vor unsern Taten und den Siechen.

 

Denn was man begonnen hat, führt man zu Ende

Weil dazu erzogen sind, unsre regen Hände

Ganz am Ende glänzt das Licht

Mittendrin verliert man sein Gesicht.

 

Doch was, wenn man ein neues hätte

Nicht ganz so blind und voller Glätte

Dafür mit einem klaren, hellen Blick

Für menschenmögliches Geschick ?

 

Das wär’ ja nie und nimmer auszudenken

Das hieße gar, den Frieden einfach schenken

Der doch mit aller Macht erkriegt sein will

Ich weiß, ich bin verrückt. Nun bin ich still.